Gestern saß die Whistleblowerin Chelsea Manning bei der Internetkonferenz republica auf der Bühne und sprach über ihre Zeit im Gefängnis, die Gefahr und die Chancen neuer Technologien und ihre Arbeit als Aktivistin. Angekündigt war die Veranstaltung als Kamingespräch und das Schöne an der fast einstündigen Unterhaltung war, dass die Tatsache, dass Chelsea Manning eine trans Frau ist, keine Rolle spielte. Ganz am Anfang wurde sie gefragt, wie sie die ganze Transition verarbeitet hat – und im Nachsatz wurde klar gestellt, dass in diesem Fall die Wandlung von einer Inhaftierten in Isolationshaft hin zu einer öffentlichen Berühmtheit, die demnächst für den Senat kandidieren möchte, gemeint ist. Obwohl Chelsea Manning einige Male erwähnte, dass sie eine trans person  ist, spielte ihr Geschlecht ansonsten keine Rolle – auch die Nachfragen aus dem Publikum drehten sich einzig und allein um ihr heutiges Engagement, nicht um ihre Vergangenheit.

Im Anschluss an ihren Auftritt, erschienen in denen deutschen Medien zahlreiche Artikel über Chelsea Manning und dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen:

  1. Deutsche Journalisten*innen gebrauchen immer noch das Wort Geschlechtsumwandlung. Das Wort Geschlechtsumwandlung darf und muss bitte ganz dringend wieder zurück in das vergangene Jahrhundert geschickt werden. Ich werde nicht erst durch eine Geschlechtsumwandlung zum Mann – in dem ich sozusagen operativ mein Geschlecht wandel – oder auch nicht, falls ich weder Hormone nehmen möchte noch eine Operation will. Der Punkt ist: ich bin bereits ein Mann und gleiche – je nach Wunsch – lediglich noch meinen Körper an. Es ist deshalb deutlich passender von Geschlechtsangleichung zu sprechen oder gleich den englischen Begriff Transition zu verwenden.
  2. Außerdem gibt es kaum einen Artikel, in dem der alte Name von Chelsea Manning nicht erwähnt wird. Der alte, abgelegte Name ist der sogenannte Deadname. Ein Deadname ist ein Deadname ist ein Deadname – ob er aus Böswilligkeit, aus Versehen oder als zusätzliche Erklärung verwendet wird, spielt dabei keine Rolle.

Diese beiden Beispiele sind aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und aus der Süddeutschen Zeitung – das positive Gegenbeispiel kommt aus dem SPIEGEL, der es schafft, einen ganzen Artikel über Chelsea Manning zu schreiben, ohne ihren alten Namen zu erwähnen und ihr Geschlecht zu thematisieren. Es ist also tatsächlich möglich!

Chelsea Manning ist der Name der Person, die all diese Dinge getan hat, bevor sie sich öffentlich als trans geoutet hat. Die Person, die diese Dinge getan hat, die Chelsea Manning tat, bevor sie sich outete, ist eine Frau. Es gibt keinen Grund in einem Artikel über ihre Arbeit als politische Aktivistin zu erwähnen, wie ihr früherer Name gewesen ist oder ob sie eine Geschlechtsangleichung hatte. Jedes Mal, wenn es doch wieder erwähnt wird, manifestiert sich die Vorstellung, dass Menschen von einem Tag auf den anderen mal eben ihr Geschlecht wandeln. Da mein alter, abgelegter Name auch öffentlich bekannt war – wenn gleich natürlich nicht so bekannt, wie der von Chelsea Manning – reagiere ich besonders empfindlich auf diese Art der Berichterstattung. Es ist unnötig, irrelevant und verletzend. Es ist auch keine komplizierte Zwickmühle für Journalisten*innen – der SPIEGEL macht ja vor, dass es problemlos gelingt, auch so einen verständlichen Artikel über Chelsea Manning zu veröffentlichen. Es gibt Menschen, die jedes Mal – wenn ich etwas zu diesem Thema schreibe – wieder argumentieren, dass die Nennung des alten Namens möglicherweise nötig sei oder zum Verständnis beitrage und ich kann dazu nur ganz klar nein sagen.

Chelsea Manning hat auf der Bühne viele kluge Sachen gesagt, eine der wichtigsten Sätze für mich, war: „Höre auf Erfahrungen, die du nicht hast.“ Ich bin ein Betroffener. Ich bin ein trans Mann. Ich erkläre immer wieder, was an der Verwendung des Deadnames – in welchem Kontext auch immer – verletzend sein kann. Und es fühlt sich unglaublich übergriffig an, wenn es Menschen gibt, die in keiner Form betroffen sind und dann trotzdem sagen: ich respektiere deine Meinung, aber ich sehe das anders. Es geht hier nicht um eine Meinung  – es geht darum, dass ich darum bitte, nicht verletzt zu werden.

Um es ganz hart auszudrücken: die Meinungen, Ansichten und Gedanken von cis Personen zum Thema Deadname sind völlig irrelevant. Wichtig ist: Betroffenen zuhören, Gefühle und Verletzungen respektieren und auf die Wünsche und Bitten derjenigen einzugehen, ÜBER die hier geschrieben wird.


Das Interview mit Chelsea Manning kann hier angeschaut werden.

Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung war eine unbearbeitete Agenturmeldung, es gibt noch einen weiteren ausführlicheren Text von Simon Hurtz.

9 Comments

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  2. „Ich bin ein trans Mann. Ich erkläre immer wieder, was an der Verwendung des Deadnames – in welchem Kontext auch immer – verletzend sein kann.“

    Nö! Du bist eine geistesgestörte Lesbe. „Deadname“, LOL!!!

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  6. Völlig ernst gemeinte Frage, und in keinster Art und Weise böse gemeint. Wie lässt sich das mit dem Namen denn bei öffentlichen Stellen machen? Ich stell mir das schwer vor nicht ständig eins vorn Latz zu kriegen, wenn man noch die Papiere mit dem Deadname hat. Arzt zum Beispiel. Der wird irgendwann wissen was er sagen soll, aber auf einer Verordnung steht dann immer noch der andere Name.

    • Linus Giese Reply

      Ich kann dir deine Frage auch nicht beantworten – das ist wahrscheinlich bei jedem unterschiedlich. Aber ich arbeite z.B. als Linus im Buchladen, alles offizielle muss aber unter meinem alten Namen laufen. Genauso beim Arzt, ich werde dort als Linus angesprochen – auf meiner Krankschreibung steht aber der alte Name. Es gibt die Möglichkeit einen Ergänzungsausweis zu beantragen – ansonsten kann man nur auf die Namens- und Personenstandsänderung warten.

  7. Hmmm. Also, ich bin mir unsicher was ich hier journalistisch richtig fände, ich führ das mal kurz aus und würd mich freuen dazu noch Sichtweisen zu hören:

    Der mentale link zwischen Deadname und Name muss(*) ja beim Leser irgendwann mal irgendwie hergestellt werden und leider gibts außer dem vorherigen Namen meist nichts was wirklich halbwegs klar die Person referenziert.

    *Klar, wenn die Vorgeschichte jetzt null von öffentlichem Interesse ist kann man und sollte man sich das sparen. Wenn ein Teil der Vorgeschichte direkt relevant ist, kann man den auch im Artikel ausführen.

    Aber grade im Fall von Chelsea Manning macht es ja schon Sinn mal irgendwann diese Verknüpfung herzustellen. Und das wird im Allgemeinen nicht über die SteuerID funktionieren (blödes Beispiel, aber ich finde das drückt das Problem ganz gut aus) – mir fällt keine wirklich gute Alternative zum Deadname ein. Man kann den Wikipedia-Artikel der Person verlinken, aber da steht dann ja auch wieder der Deadname drin – und es wär auch irgendwie schwierig wenn nicht, da ja ältere verlinkte Quellen dann auch zT den Deadname noch verwenden.

    Wenn dieser link nicht hergestellt wird führt das ja auch dazu, dass man als uninformierter Mensch weiterhin Deadname verwendet, um über die Vorgeschichte der Person zu sprechen, weil man garnicht weiß, dass die Person jetzt anders bezeichnet werden möchte.

    Das soll jetzt alles nich heißen, dass ich finde man sollte den Deadname jedesmal erwähnen, ich versteh ja durchaus auch wieso das Scheiße ist. Aber ich weiß auch irgendwie nicht wie ichs gut/richtig fände – das Herstellen des Links einfach anderen „überlassen“, die sich weniger verrückt machen deswegen, ist ja auch keine gute Lösung. Manchmal kann man vielleicht die trans person fragen, ob/wie sie das okay fände, aber oft schreibt man natürlich auch ohne persönlichen Kontakt und möchte es trotzdem irgendwie gut machen.

    Thoughts?

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