Als ich mich auf meinem Blog als trans outete, schrieb ich:\u00a0Hallo, ich bin’s – Linus<\/em>. Damit habe ich meinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass man mich in Zukunft Linus nennt – und nicht mehr bei meinem alten Namen. Dieser alte abgelegte Name wird von trans Menschen h\u00e4ufig auch als\u00a0Deadname<\/em> bezeichnet. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Begriff?<\/p>\n <\/p>\n Mit dem Bergriff\u00a0Deadname\u00a0<\/em>wird der abgelegte Name einer trans Person bezeichnet –\u00a0Deadnaming<\/em>\u00a0bedeutet also das Ansprechen einer trans Person mit ihrem alten Namen. Es kann manchmal aus Versehen zum\u00a0Deadnaming\u00a0<\/em>kommen, zum Beispiel wenn zu Beginn der Transition Freunden, Familienmitgliedern oder Kollegen unabsichtlich der alte Name herausrutscht.\u00a0Der\u00a0Deadname\u00a0<\/em>kann aber auch als Instrument von Macht genutzt werden: auf Twitter werde ich ganz h\u00e4ufig mit meinem alten Namen oder dem falschen Pronomen angesprochen – das sind dann Hasskommentare von Menschen, denen nichts anderes einf\u00e4llt, als mir meine Identit\u00e4t abzusprechen, um mir weh zu tun. Und dann gibt es Menschen, die mit Absicht den alten Namen benutzen – ohne sich jedoch h\u00e4ufig dar\u00fcber im Klaren zu sein, wie verletzend das f\u00fcr mich ist. W\u00e4hrend der Leipziger Buchmesse sagte eine andere Bloggerin zu mir: „Ich hoffe, ich nenne dich nicht [alter Name].“<\/strong> Mir ist es auch mal auf einem Podium passiert, dass der Moderator sagte: „Bekannt geworden bist du als [alter Name]“<\/strong>. Und in der Danksagung eines Buches steht: „Vielen Dank an Linus Giese, manche werden Linus noch unter [alter Name] kennen.“<\/strong><\/p>\n Wenn ich in solchen F\u00e4llen darauf aufmerksam mache, dass es f\u00fcr mich nicht in Ordnung ist, wenn mein Deadname<\/em> von anderen verwendet wird, kommt es in den meisten F\u00e4llen zu den immer gleichen Reaktionen – cis Personen argumentieren, 1.) dass ich mein altes Leben doch nicht wegwerfen kann, 2.) dass die Vergangenheit immer noch zu einem geh\u00f6rt, 3.) dass der alte Name doch nichts sei, das totgeschwiegen werden sollte und 4.) was steht denn eigentlich in deinem Personalausweis?<\/p>\n <\/p>\n Es gibt trans Menschen, die ein entspanntes Verh\u00e4ltnis zu ihrem alten Namen haben. Ich habe das nicht. K\u00fcrzlich sortierte ich Kleidung aus, die ich nicht mehr tragen werde – es sind Kleidungsst\u00fccke, die jemandem anderen geh\u00f6ren. Jemandem, der ich niemals wirklich war, aber drei\u00dfig Jahre lang vorgab zu sein. Ich h\u00e4tte die Kleidung auch einfach in meinem Schrank h\u00e4ngen lassen k\u00f6nnen, aber dort w\u00fcrde sie nur Platz wegnehmen f\u00fcr Dinge, die mir besser passen und in denen ich mich wohler f\u00fchle. Mit der Entscheidung, Linus zu sein, habe ich auch die Entscheidung getroffen, bestimmte Dinge zur\u00fcckzulassen. Ich finde, dass es keinen passenderen Begriff als Deadname<\/em> gibt, um einen Namen zu bezeichnen, der der Vergangenheit angeh\u00f6rt. Jedes Mal, wenn mein alter Name genannt wird, schmerzt es mich – auch k\u00f6rperlich, ich bekomme Herzrasen und Schwei\u00dfausbr\u00fcche. Ich bin Linus, mich gibt es seit 32 Jahren – ich habe mich nur erst jetzt herausgetraut.\u00a0Ich bin nicht in dem Moment Linus geworden, als ich mich outete. Ich bin auch nicht in dem Moment Linus geworden, in dem ich meine Transition begann. Ich begann mit meiner Transition, weil ich bereits dieser Mensch war. Ich bin immer Linus gewesen, ich trug diesen Namen nicht mein ganzes Leben lang, aber Linus war immer der Mensch, der ich im Inneren war. Auch, wenn ich das gut zu verstecken wusste. Also: in neunundneunzig Prozent aller F\u00e4lle, solltet ihr nicht den Deadname einer trans Person verwenden, au\u00dfer sie hat euch das ausdr\u00fccklich erlaubt. In neunundneunzig Prozent aller F\u00e4lle ist es auch nicht in Ordnung, eine trans Person ohne ihren Willen \u00f6ffentlich zu outen. Ich lebe offen als trans Mann und trotzdem m\u00f6chte ich nicht, dass mein alter Name auf einem Podium genannt wird oder f\u00fcr unglaublich viele Menschen in einem Buch nachzulesen ist. Das f\u00fchlt sich \u00fcbergriffig an und nimmt mir alle Kontrolle \u00fcber mein Leben, meine Identit\u00e4t und meine eigene Geschichte.\u00a0 In neunundneunzig Prozent aller F\u00e4lle ist es zudem schmerzhaft, wenn ihr dar\u00fcber diskutieren wollt, ob man denn wirklich die eigene Vergangenheit wegwerfen sollte – meine Vergangenheit ist immer noch da, meine Erlebnisse, meine Erfahrungen und das Leben, das ich lebte, sind nicht ausgel\u00f6scht. Nur der Name hat sich ge\u00e4ndert.<\/p>\n Viele fragen mich immer wieder: wie sollen wir denn \u00fcber dein Leben vor deinem Coming-Out sprechen? Mich verwirrt diese Frage, weil ich mir nicht vorstellen kann, wann und in welchem Kontext wildfremde Menschen aus dem Internet \u00fcber meine Vergangenheit sprechen sollten – aber wenn ihr das tun wollt, dann sprecht \u00fcber mich als Linus und nutzt das richtige Pronomen. Wenn ihr \u00fcber etwas sprechen wollt, was ich 2016 tat, ist mein Name immer noch Linus und das korrekte Pronomen er. Wenn ihr \u00fcber etwas sprechen wollt, was ich 1999 getan habe, ist mein Name immer noch Linus und das korrekte Pronomen er.\u00a0 Falls es f\u00fcr euch total wichtig ist zu betonen, dass ich 2016 noch einen anderen Namen trug als jetzt, solltet ihr euch fragen, warum es euch wichtig ist. Mir f\u00e4llt daf\u00fcr n\u00e4mlich kein Grund ein.<\/p>\n
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