Durch meinen offenen Umgang mit meiner Identit\u00e4t, bin ich auf Twitter und anderen sozialen Kan\u00e4len mit vielen Fragen konfrontiert: warum hei\u00dft du eigentlich Linus? Warum m\u00f6chtest du nicht mutig genannt werden? Oder auch: warum ignorierst du nicht einfach die Hasskommentare? Die Frage, die ich nach acht Monaten nicht mehr h\u00f6ren m\u00f6chte, ist die Frage danach, warum es verletzend ist, zu sagen, dass ich als Frau geboren sei.<\/p>\n
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Bei mir haben drei Ereignisse dazu gef\u00fchrt, dass ich unbedingt \u00fcber dieses Thema schreiben muss. Zum einen habe ich Interviewfragen zugeschickt bekommen und die erste wurde folgenderma\u00dfen eingeleitet: „Du bist als Frau geboren und lebst nun als Mann.“ Zum anderen\u00a0schrieb eine Instagramnutzerin k\u00fcrzlich \u00fcber trans M\u00e4nner und formuliert dies so: „eine Frau, die sich als Mann f\u00fchlt und als Mann lebt“. Und zuletzt sagte mir k\u00fcrzlich jemand auf Twitter, dass ich ja gerade noch eine biologische Frau sei und dass ihre trans Freundin sich so lange als Mann bezeichnet hat, bis die Angleichung abgeschlossen war. Ich glaube tats\u00e4chlich, dass jede trans Person unterschiedlich empfindlich auf unterschiedliche Formulierungen reagiert. Umso wichtiger ist es – glaube ich – sensibel zu formulieren und gegebenenfalls lieber einmal zu oft nachzufragen.\u00a0 Auf GLAAD<\/a><\/span> gibt es zum Beispiel einen englischsprachigen Medienguide, in dem Formulierungen gesammelt werden, die lieber vermieden werden sollten – und Formulierungen, die stattdessen verwendet werden k\u00f6nnten. Vermieden werden sollten: „biologisch m\u00e4nnlich“ und „biologisch weiblich“, „genetisch m\u00e4nnlich“ und „genetisch weiblich“, „als Mann geboren“ und „als Frau geboren“. Stattdessen k\u00f6nnte man zum Beispiel vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht sprechen.<\/p>\n Ich wurde nicht als Frau geboren und habe mich auch nie als Frau gef\u00fchlt, und jedes Mal wenn jemand wieder irgendwo diesen Satz sagt, f\u00fchlt es sich – ohne zu \u00fcbertreiben – an, als w\u00fcrde mein Herz herausgerissen werden. Mir ist nat\u00fcrlich klar, dass keines der oben genannten Beispiele b\u00f6se gemeint ist. Die Vorstellung, dass ich als Frau geboren wurde und nun als Mann lebe, ist eine Vorstellung, die von unz\u00e4hligen Artikeln in den Medien unterst\u00fctzt und gefestigt wird. F\u00fcr viele ist es das einfachste Bild, um sich etwas vorzustellen, was scheinbar h\u00e4ufig unvorstellbar ist.<\/p>\n <\/p>\n Ein trans Mann ist ein Mann. Ich bin kein Mann, der mal eine Frau gewesen ist. Ich bin kein Mann, der als Frau geboren wurde. Ich bin kein Mann, der gerade noch eine biologische Frau ist. Ich bin ein Mann. Es ist verletzend und respektlos, dar\u00fcber bestimmen zu wollen, wie ich auf meine eigene Vergangenheit blicke. Es ist verletzend und respektlos, mir zu sagen, als was ich geboren wurde. Es ist verletzend und respektlos, mir meine eigene Geschichte und Identit\u00e4t wegzunehmen und einen Stempel darauf zu dr\u00fccken, der lautet: „als Frau geboren“. Es ist verletzend und respektlos, mir zu sagen, welches biologische Geschlecht ich habe. Es ist verletzend und respektlos, \u00fcber einen trans Mann zu sagen, er sei eine Frau, die sich als Mann f\u00fchlt. Nat\u00fcrlich: jeder trans Mann spricht anders \u00fcber die eigene Transition, f\u00fcr jeden sind unterschiedliche Dinge verletzend. Wichtig ist es aber, hinzuh\u00f6ren und die W\u00fcnsche der Betroffenen zu respektieren. Wenn du einen trans Mann interviewen m\u00f6chtest oder \u00fcber trans M\u00e4nner schreiben willst, w\u00e4re es toll, wenn du vorher googelst, um herauszufinden, welche Formulierungen besser vermieden werden sollten – und was du bedenkenlos fragen und schreiben kannst.<\/p>\n Wir werden alle zun\u00e4chst einmal als Babies geboren. Als Babies, denen anschlie\u00dfend ein Geschlecht zugewiesen wird. Ich habe mich relativ sp\u00e4t geoutet und trotzdem bedeutet das nicht, dass ich in den Jahren zuvor als Frau lebte. Jemandem, der sich relativ sp\u00e4t als homosexuell outet, w\u00fcrde man doch auch nicht sagen: „Damals, als du noch heterosexuell warst.“ Besonders kritisch empfinde ich es, wenn mit dem Begriff biologisch hantiert wird. Jemand sagt mir, ich sei gerade noch biologisch eine Frau. Doch was bedeutet es eigentlich, biologisch eine Frau zu sein? Ab wann w\u00e4re ich biologisch keine Frau mehr? Ab der Einnahme von Testosteron? Ab dem Moment, in dem mir die Br\u00fcste entfernt werden w\u00fcrden? Ab dem Moment, in dem aus einem St\u00fcck meiner eigenen Haut ein Penis geformt werden w\u00fcrde? Und was w\u00e4re, wenn ich all das nicht m\u00f6chte? Wenn ich sagen w\u00fcrde, dass es mir reicht, Hormone zu nehmen, ich aber keine Operationen w\u00fcnsche? W\u00fcrde mich das als Mann disqualifizieren und weiter eine biologische Frau sein lassen?<\/p>\n Ich unterstelle niemandem b\u00f6se Absicht, der solche oder \u00e4hnliche Formulierungen gebraucht hat. Vielen ist es nicht klar, wie verletzend und besch\u00e4digend bestimmte S\u00e4tze und Worte sein k\u00f6nnen. Was ich mir w\u00fcnschen w\u00fcrde – von Journalisten und Journalistinnen, aber auch von allen anderen Menschen: die Bereitschaft zuzuh\u00f6ren, umzudenken, und nicht immer wieder dieselben Bilder, Klischees und Stereotype zu reproduzieren. Genauso wichtig, wie es ist, mich in der Gegenwart richtig zu gendern, w\u00e4re es, mich auch in der Vergangenheit nicht zu misgendern – und ich allein darf dar\u00fcber entscheiden, als was ich geboren wurde und wie ich leben m\u00f6chte.<\/p>\n
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